Die mündliche Überlieferung der Bedeutung des Sutra der Dharmablume

Erster Teil

 

Der erste Tag im ersten Monat des ersten Jahres von Kôan (1278)

im Alter von 57 Jahren

 

Die Erklärungen Nichirens betreffs der Gesamtheit der Dharmablume

zusammengestellt in 229 Artikeln

 

Goshô Shimpen, Seite 1719–1720

 

 

Nam myôhô renge kyô

In der mündlichen Überlieferung heißt es, daß Nam ein Sanskrit-Wort ist, von dem man sagt, daß es „sein Leben zu weihen und darauf zu gründen“ bedeutet. In dem, dem wir unser Leben weihen und worauf wir es gründen, ist sowohl die Person als auch das Dharma. Die Person ist Shakyamuni, dem wir unser Leben weihen und den wir zu unserer Grundlage machen. Das Dharma ist das Sutra der Dharmablume, auf das wir unser Leben gründen und dem man sich hingibt. Auch heißt es, daß „weihen“ bedeutet, daß wir unser Leben auf die Eigentlichkeit der realen Soheit hin ausrichten, die essentiell unveränderlich ist und zum vorübergehenden Tor gehört. „Unser Leben“ bezieht sich auf ein Leben, das in der Weisheit der realen Soheit seine Grundlage hat in Übereinstimmung mit den gegebenen Umständen – eine Konzeption des ursprünglichen Tores. Dieses Weihen und der Akt des Gründens unseres Lebens ist Nam myôhô renge kyô. (Das Weihen dem Sutra der Lotosblume der Allheit des Dharma und das Gründen darauf.) Dies wird damit erläutert, daß sowohl die den gegebenen Umständen entsprechende reale Soheit als auch die essentiell unveränderliche reale Soheit beide in der Winzigkeit eines Augenblicks des Geistes enthalten sind; es ist die Weisheit, die mit der realen Eigentlichkeit erstrahlt. Auch heißt es, daß „weihen“ die Dharmas unserer Materialität und daß „unser Leben“ die Dharmas unseres Geistes sind. So ist denn beides – unsere Materialität und unser Geist – das Einssein des endgültigen Terrains des Buddhas. Dies wird in den Erläuternden Anmerkungen zur tiefgründigen Bedeutung der Dharmablume erklärt. „Wir nehmen Zuflucht in das Einssein des endgültigen Terrains des Buddhas, weil man es das Buddha-Fahrzeug nennt.“ Auch gibt es die Erläuterung, daß Nam von Nam myôhô renge kyô Sanskrit und Myôhô renge kyô klassisches Chinesisch ist. Es heißt, daß Nam myôhô renge kyô gleichzeitig Sanskrit und Chinesisch ist. Auch wird gesagt, daß es im Sanskrit Saddharma Pundarika Sutram lautet. Hier nennen wir es Myôhô renge kyô (das Sutra der Lotosblume der Allheit des Dharma). Sat ist Allheit (myô), Dharma ist ho im Japanischen, Pundarika ist die Lotosblume (renge), und Sutram (kyô) bedeutet Sutra. Die Ideogramme für die neun Silben von Saddharma Pundarika Sutram sind das Wesen Buddhas, das die neun von aller Welt Verehrten bilden, die die neun Dharmabereiche in ihrer Nichtgetrenntheit vom Bereich des Buddhas symbolisieren. Allheit (myô) ist die Essenz des Dharma, und Dharmas () sind dessen Nichterleuchtung. Die eine Wesenheit von Nichterleuchtung und Essenz des Dharma wird die Allheit des Dharma genannt. Die Lotosblume (renge), bei der es sich um die zwei Dharmas von Ursache und Wirkung handelt, wird als Ursache und Wirkung verstanden, die zur selben Zeit eine einzige Wesenheit sind. Von Sutra (kyô) heißt es, daß es alles Gesprochene, alle Worte, Äußerungen und Stimmen aller fühlenden Wesen ist. Dies wird erläutert mit „wenn die Stimme zur Übertragung des Buddha-Dharma wird, nennt man es ein Sutra.“ Weil es durch die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hindurch unverändert bleibt, nennt man es ein Sutra. Der Bereich der Dharmas oder der Dharma-Bereich ist die Allheit des Dharma. Der Bereich der Dharmas ist die Lotosblume. Der Bereich der Dharmas ist das Sutra. Die Lotosblume ist das Wesen Buddhas der neun von aller Welt Verehrten im achtblättrigen Lotos. Sie müssen eingehend darüber nachdenken.

Um es vorweg zu sagen, sollten wir die Absicht haben, nachzufragen, wo denn die Lotosblume gedeiht, in welcher Art von Teich oder was für Wasser, oder an welch einem Standort oder in welcher Art von Umgebung diese Blume beheimatet ist, haben wir uns dann vorzustellen, daß sie in den Schneegebirgen des Nordens wächst?  Oder sind es die lauen Tümpel inmitten der duftenden Hügel des Südens, wo wir diese unvorstellbar und unaussprechlich herrliche Blume, den großen weißen Lotos, antreffen. Ist es deshalb, daß wir sie die Lotosblume der Allheit des Dharma nennen? Wie dem auch sei, es gibt in den Teichen König Hokabaras Lotosblumen, die mit tausend Blütenblättern blühen, wohingegen die inmitten der Menschheit blühenden mit nur je zehn Blütenblättern versehen sind. In den Himmeln über uns gibt es Lotosblumen mit hundert Blütenblättern, und die der Buddhas und Bodhisattwas besitzen eintausend. Sollten wir sie aus diesem Grund als Lotosblumen der Allheit des Dharma bezeichnen? Oder sollten wir nicht ferner herauszufinden suchen, ob es Lotosgewächse gibt, die aus dem Teich des Weißen Reihers der Gewässer von Kunming erwachsen. Sie sollten sich diese Angelegenheit mit Sorgfalt durch den Kopf gehen lassen ohne weiter in die Ferne zu schweifen oder in weit entlegenen Gebieten zu suchen. Diese Lotosblumen wachsen in der Brust fühlender Wesen wie wir. Inmitten ihres sumpfigen Morastes von bösem Karma und ihrer störenden Sorgen ist der Geist mit der adäquaten Ursache der Buddhanatur ausgestattet, der die Bezeichnung Lotosblume der Allheit des Dharma verliehen wird. Die Lotosblumen in der gewöhnlichen Welt blühen nur zur Sommerszeit, aber nicht das ganze Jahr über, sie gedeihen im trüben Schlamm und nicht auf festem Boden. Im Wind sinken sie unter die vorbeiziehenden Wellen, bei Eiseskälte schließen sie sich, und unter der brennenden Sonne welken sie. Nichtsdestotrotz ist dies nicht so bei der Lotosblume der Buddhanatur, der Blume, die nicht von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eingeschränkt ist und ihre Blütenblätter durch die vier Jahreszeiten hindurch behält, die keine Begrenzungen kennt und in den sechs niederen Bestimmungsorten der Wiedergeburt und den drei Bereichen von Verlangen, Materialität und Immaterialität erblüht. Da dies die Blume der Nichtdualität von gut und böse ist, sucht sie weder die Tiefe noch die Seichtheit des bösen Karmas. Weil es die Blume der einen Soheit von richtig und falsch ist, keimt sie im sumpfigen Morast störender Sorgen, und wenn sie herangewachsen ist, rütteln weder die  zehn Winden des Bösen an ihr, noch wird sie von den Wellen der fünf Todsünden überspült. Weder zieht sich der rote Lotos in klirrender Kälte zusammen, noch verblüht er in sengender Hitze. Obwohl wir die Lotosblume unserer Buddhanatur besitzen, wie sie soeben beschrieben wurde, sind wir trunken vom Alkoholikum der Nichterleuchtung, und so wissen wir nicht um ihre Präsenz in unserem Körper. Berückt von der Düsterkeit unserer störenden Sorgen, sind wir nichterwacht zur realen Soheit unserer eigenen Natur.

 

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Was für ein herausragendes, unübertreffliches Dharmator in der Tat dies ist! Es lehrt nicht, daß der achtblättrige Lotos der neun von der Welt Verehrten nur der Brust des Maskulinen innewohnt, mit einem Seufzer preist es ihn dahingehend, daß auch Frauen in ihrer femininen Gestalt ihn empfangen.

 

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         (... Übersetzung in Arbeit ...)